dronten.de - Informationen von den Dronten bzw. den Dodos und über das Aussterben.

Weiterführende Informationen:

Grafik: etwas ausführlicher
Etwas ausführlicher: ein Stückchen feinster Prosa über die Dronten

Die Geschichte von der Dronte

Dies ist eine Geschichte vom Aussterben.

Eine Geschichte voll sinnloser Gewalt auf exotischen Inseln, doch James Bond spielt nicht mit. Eine Geschichte von Wehmut und Trauer, doch ohne Kitsch und falsche Tränen. Eine wahre Geschichte, bewegend und gut erzählt. Die Geschichte vom Dodo.

Sie beginnt dort, wo sie nur wenig später endet. Auf einer kleinen Insel mitten im Indischen Ozean mit dem Namen Mauritius.

Mauritius liegt so weit vom nächsten Festland entfernt, daß sich, ähnlich wie an anderen abgelegen Orten wie Australien, Galapagos oder Erlangen-Hüttendorf eine ganz eigene Tier- und Pflanzenwelt entwickeln konnte.

Unter den ausgesprochen merkwürdigen Wesen, die sich häufig an solchen Stellen herausbilden, gibt es immer wieder einige, die noch seltsamer sind als alle anderen.

Auf Mauritius hatte die Evolution einen Vogel hervorgebracht, der war häßlich. Richtig häßlich. So häßlich, daß ihn die holländischen Seeleute, die ihm als erste Menschen gegenübertraten, mit den Namen walghvogel ("Ekelvogel") bedachten.

Heute, einige Jahrhunderte später, haben wir gelernt, politisch korrekt und höflich zu sein, weshalb wir ihn auch als den Dodo, also den - naja - Dödelvogel (port.: dodo=Tolpatsch) bezeichnen. Sein im Deutschen auch gebräuchlicher Name "Dronte" stammt wohl aus dem Indonesischen. Die Wurzeln dieses Wortes sind zumindest dem Autor unbekannt, aber etwas besonders Nettes wird es wahrscheinlich nicht heißen.

Der Mensch kam erst spät nach Mauritius. Kein Wunder, die Insel liegt weit ab von den alten Schiffahrtsrouten. Zuerst landeten die bereits oben erwähnten holländische Seefahrer vor rund vierhundert Jahren. Ein wenig später kamen die Portugiesen, dann die Franzosen und schließlich die Engländer. Auch indische Kaufleute machten ihre Aufwartung. (Die Amerikaner haben wohl abgewartet, bis der erste McDonalds aufmacht, jedenfalls werden Sie nirgendwo erwähnt.)

Sie alle hatten eines gemeinsam: Sie waren wochen- oder monatelang auf engen Schiffen unterwegs gewesen. Das bedeutete, daß sie zum einen ausgehungert nach frischer Nahrung und zum anderen - nach endlosen Tagen auf immer den gleichen wenigen Quadratmetern zusammen mit immer den selben Leuten - zu Tode gelangweilt waren.

Und sie brachten ihre Haustiere mit, denen es auch nicht besser ging: Schweine, Hunde, Ziegen - und natürlich die allgegenwärtigen Schiffsratten.

Der Dodo hatte einfach nur Pech. Er hatte auf Mauritius keine natürlichen Feinde und war deshalb über die Jahrmillionen bequem und ein bißchen rund um die - naja, nennen wir es einmal Hüften - geworden. Also legte er seine Eier in ein ungeschütztes Nest am Boden. Er lief nicht weg. In Tausenden von Generationen hatte es kein Dodo nötig gehabt, vor irgend etwas oder irgend jemandem wegzulaufen. Und so wurde er zur leichten Beute für seine neuen Freunde.

Nicht daß er gut geschmeckt hätte. Im Gegenteil. Sein Fleisch war zäh und schmeckte ranzig und wurde mit längerem Kochen eher ledrig als weicher. Die Eier dagegen scheinen recht lecker gewesen zu sein. Und von der Schiffsratte bis zum Kapitän griffen alle tüchtig zu. Und nahmen damit dem Dodo nicht das Leben direkt, sondern seine Zukunft.

Auch wenn man ihn nicht essen konnte: Es scheint ein Heidenspaß gewesen sein, einen Dodo zu jagen. Es muß so entsetzlich komisch ausgesehen haben, wenn man ihn schließich doch dazu brachte, wegzulaufen, daß sich die Seeleute einen Sport daraus machten, soviele Dodos wie möglich zu erschlagen. Andere fing man ein und nahm sie als Souvenirs mit nach Europa und Indien. Fern von zu Hause starben sie allerdings sehr schnell. Eine Züchtung ist niemandem gelungen.

Hundert Jahre nach den ersten Berichten über seine Existenz gab es keinen Dodo mehr. Die Gattung wurde so gründlich ausgerottet, daß nicht einmal ein ausgestopfter Vogel bis heute übrig blieb (es gab wohl ein Exemplar in einem britischen Museum, aber das wurde im neunzehnten Jahrhundert von Motten verspeist). So kann man heute nicht einmal mehr mit Sicherheit sagen, welche Farbe das Gefieder hatte. Die Dodos im Britischen Naturhistorischen Museum in London mit ihrem grauen Federkleid sind jedenfalls nicht echt. Alles was uns bleibt sind eine Anzahl Skelette und einige Beschreibungen von Seeleuten, die das - in den meisten Fällen recht einseitige und kurze - Glück hatten, einer lebenden Dronte zu begegnen.

Von einigen der Dodos, die mit nach Indien und Europa genommen wurden, existieren Zeichnungen, die allerdings nur mehr oder weniger genau sind. Die wahrscheinlich treffendste stammt aus Indien. Die Plumpheit der anderen Darstellungen ist wohl darauf zurückzuführen, daß der Dodo, der eine natürliche Neigung zum Ansammeln von Fett hatte, in Gefangenschaft noch kräftig überfüttert wurde.

Was den Dodo so wichtig macht

Zunächst: Sein Aussterben war zum Schreien unnötig. Das allein wäre an und für sich Grund genug, sich ganz entsetzlich aufzuregen.

Aber: Abgesehen davon gibt es auf Mauritius den Kalvarienbaum. Von dessen Nüssen hatte sich der Dodo unter anderem ernährt. Und offensichtlich war er der einzige, der die harte, holzige Schale dieser Nüsse knacken konnte. Dazu hatte der Dodo die Technik entwickelt, Steine zu verschlucken, mit deren Hilfe sein Magen dann in die Nüsse zerkleinerte. Dieser Technik bedienen sich auch andere Tiere. (Nein, nicht der böse Wolf aus Rotkäppchen. Dem wurden die Steine gegen seinen Willen und sehr zu seinem Schaden einverleibt. Ganz normale Hühner tun das aber mit Absicht.)

Als es jedenfalls keinen Dodo mehr gab, gab es plötzlich auch keine neuen Kalvarienbäume mehr. Die Nüsse waren zu hartschalig, um von selbst zu keimen. So war dann auch der jüngste Kalvarienbaum etwa dreihundert Jahre alt, als vor einiger Zeit jemand auf den Gedanken kam, die Nüsse mit einem Hammer aufzuschlagen und dann einzupflanzen.

Heute gibt es wieder junge Kalvarienbäme, die Gattung wird dem Dodo noch nicht ins Aussterben folgen - zumindest solange sich jemand findet, der Geburtshilfe mit einem Hammer leistet. Aber das Beispiel zeigt wie kaum ein anderes, wie leicht es ist, die Kontrolle über ein labiles Gleichgewicht zu verlieren, und es zeigt im Kleinen, was uns auf globaler Ebene passieren kann, wenn wir nicht höllisch aufpassen.